Und nun?

Nach zwei schmerzhaften Niederlagen – zuerst in der Champions League gegen Newcastle (0:4), dann in der Liga gegen Club Brügge – befindet sich Royale Union Saint-Gilloise in einer schwierigen Phase, die Fragen aufwirft: Ist das Team an einem Wendepunkt der Saison angelangt, oder handelt es sich nur um einen kurzen Durchhänger?

Was in den vergangenen Spielen deutlich wurde, ist ein alarmierender Mangel an Kreativität und Durchschlagskraft. Gegen Newcastle wirkten die Brüsseler überfordert, ohne klare Idee im Spielaufbau, und in Brügge fehlte es an Tempo, Mut und Inspiration. Die Offensive, einst das Prunkstück der Union, steckt in einer Flaute. Spieler wie Ait El Hadj, Amoura, Niang oder Khalaili bringen derzeit nicht die erwartete Torgefahr. Die Statistiken, wie sie etwa in der DH Les Sports+ dargelegt werden, sind besorgniserregend – zu wenige Abschlüsse, zu wenig Einfluss im letzten Drittel. Selbst Trainer Sébastien Pocognoli sprach von einer „panne de créativité“, einer kreativen Blockade, die dringend behoben werden müsse.

Auch die Defensive steht in der Kritik. Gegen Newcastle offenbarten sich klare Schwächen im Stellungsspiel und in der Abstimmung. Das Team wurde wiederholt überlaufen, und die Abstände zwischen den Linien waren zu groß. Brügge nutzte ähnliche Räume eiskalt. Diese Instabilität wirkt umso problematischer, weil sie sich mit den Offensivproblemen gegenseitig verstärkt: Wenn vorne nichts gelingt, wächst der Druck auf die Hintermannschaft – und umgekehrt.

Ein weiterer Punkt ist die mentale Komponente. Kapitän Christian Burgess betonte nach der Niederlage gegen Brügge zwar, man dürfe „nicht in Panik verfallen“, doch die Verunsicherung war spürbar. Nach einem starken Saisonstart mit überzeugenden Auftritten in Liga und Europa-League-Qualifikation scheint das Selbstvertrauen etwas verloren gegangen zu sein. Die Spieler agieren zurückhaltender, riskieren weniger, und das einst typische, mutige Pressing- und Kombinationsspiel der Union ist kaum noch zu sehen.

Auch von außen wächst die Kritik. Laut Footnews zeigte sich Hein Vanhaezebrouck wenig beeindruckt von einzelnen Spielern der Union – sie „würden zu wenig wiegen“, sprich: Sie hätten nicht genug Einfluss und Präsenz auf dem Platz. Diese Einschätzung passt ins Bild: Die Union wirkt körperlich und geistig müde, ohne den Biss, der sie in den letzten Jahren so gefährlich machte.

Trainer Pocognoli hat selbst erkannt, dass die Mannschaft sich neu erfinden muss. Er spricht von der Notwendigkeit, taktische Anpassungen vorzunehmen, um die Kreativität wiederzubeleben. Das könnte bedeuten, dass die Mannschaft im Mittelfeld flexibler agieren und wieder mehr Risiko im Passspiel eingehen muss. Gleichzeitig dürfte die Priorität in den kommenden Wochen darin liegen, defensiv wieder kompakter zu stehen, um Stabilität zurückzugewinnen.

Die Situation ist also ernst, aber keineswegs hoffnungslos. Union Saint-Gilloise verfügt weiterhin über Qualität, Struktur und Erfahrung – sowohl im Trainerteam als auch im Kader. Wichtig ist nun, dass man Ruhe bewahrt, die Probleme gezielt angeht und das Vertrauen in das eigene Spielsystem wiederfindet. Ein zu-null-Spiel, ein erkämpfter Arbeitssieg – solche Erfolgserlebnisse könnten den Umschwung einleiten.

Kurzum: Die aktuelle Krise ist ein Warnsignal, aber noch kein Bruch. Wenn Union seine Balance zwischen Struktur und Spielfreude wiederfindet, kann die Saison weiterhin positiv verlaufen.


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