Ein Kommentar
Es ist wohl ein einmaliger Vorgang in der 74-jährigen Geschichte der BSG Wismut Gera. Am letzten Spieltag verliert die Mannschaft mit 3:4 gegen den VfB Auerbach, landet auf einem Abstiegsplatz – und was folgt? Partykleidung und Vorfreude auf Mallorca. Und das nur wenige Tage vor der anstehenden Relegation, die – mit Blick auf die Tabellensituation in der Thüringenliga – nicht nur theoretisch sondern auch ganz praktisch die Chance auf den Klassenerhalt bietet. Ein Schlag ins Gesicht für alle, die noch an diese Mannschaft geglaubt haben.
Und es passt dann tatsächlich spiegelbildlich zur sportlichen Präsentation im letzten Punktspiel. Entsprechend ist auch die Atmosphäre nach Abpfiff zu verstehen: erschreckend still, fast gespenstisch. Keine Verantwortung auf dem Platz. Stattdessen das Signal: Ballermann ist wichtiger als Klassenerhalt. Egal wie klein die Hoffnung auf den Klassenerhalt auch sein mag: Wer Mallorca der Relegation vorzieht, hat den Verein „BSG Wismut Gera“ nicht verstanden und das orangene Trikot nicht verdient.
Ja, die Saison war kein Urlaub. Sie war Abstiegskampf. Sie war Krampf. Aber jetzt, wo es eine letzte Chance gibt, steht die Mannschaft schon mit einem Bein im Flieger? Und das obwohl der Termin schon vor der Saison im Rahmenterminplan verankert wurde. Relegation ist Pflicht. Malle ist Kür. Und wer das nicht kapiert, darf sich – mit Verlaub – verpissen. Oder, etwas höflicher: vom Acker machen.
Sportlicher Bankrott und strukturelles Chaos
Nicht nur sportlich, auch organisatorisch offenbarte sich am letzten Spieltag das ganze Elend. Die Pressekonferenz war ein Tiefpunkt: Ein Moderator, der es mit der guten Laune sicherlich gut meint, aber Außenstehende hatten das Gefühl, als ginge es um ein Familienfest nicht um den Abstieg eines Traditionsvereins. Ein Trainer, der nicht weiß, wer zum nächsten Training erscheint – und der sich dennoch schützend vor Mannschaft und Verein stellt. Allein, auf verlorenem Posten.
Die sportliche Leitung? De facto nicht existent. Kein fester Co-Trainer, kein strukturierter Betreuerstab. Eine Mannschaft ohne Führung, ohne Haltung. Auch abseits des Platzes zeigt sich der Verein überfordert: Selbst die Getränkeversorgung war bei 33 Grad faktisch nicht erlebbar. Kleinigkeiten? Vielleicht. Aber sie fügen sich ein in das Bild eines Vereins, der den Überblick und die Bindung längst verloren hat.
Was jetzt kommen muss: ein Neuanfang
Einer der wenigen Lichtblicke in der aktuellen Situation ist Trainer Steffen Geisendorf. Er erfährt vom Verein keine sportliche Rückendeckung, erlebt eine nicht oberligareife Struktur. Der Umgang mit ihm steht sinnbildlich für die Missstände in der Vereinsführung. Und dennoch: Er präsentiert sich gegenüber dem Verein stets sachlich, ruhig, loyal. Er ist ein Trainer mit Anstand und Haltung – genau das braucht ein Verein wie die BSG auf der Trainerbank und nicht einen Schaumschläger ohne Substanz und mit Lachsmileys bei BSG-Niederlagen.
Es wird Zeit im BSG-Umfeld zu erkennen, dass die Geschichte dieser Mannschaft mit der mehrfach verpassten Meisterschaft und dem diesjährigen Abstieg auserzählt ist. Da helfen keine Flicken oder Pflaster mehr. Sportliche Führungsfiguren, die nach dem Abstieg mit dem Team nach Mallorca fliegen, können nicht für einen Neuanfang stehen, sondern vielmehr für Resignation und Verantwortungslosigkeit.
Auch die Wintertransfers aus dem sogenannten „internationalen Einhorn-Paradies“ waren wirkungslos und boten Team sowie Trainer keinerlei Unterstützung. Die sportliche Leitung? Ein Totalausfall. Das Vertrauen der Zuschauer? Bröckelt, auch und besonders in die Vereinsführung. Was bleibt, ist Trümmerhaufen auf und neben dem Platz.
Der Verein braucht einen echten und radikalen Neustart – personell, strukturell und finanziell. Wenn nötig, auch über den schmerzhaften Weg eines geordneten Verfahrens. Nur so kann ein neues Fundament entstehen, das besser trägt und aus Professionalität, Transparenz und Respekt gegenüber Trainern, Spielern und den treuen Fans besteht.
Ein sportlicher Neuanfang in der Thüringenliga ist völlig illusorisch. Mit wem denn? Realistisch ist – und es fällt mir wirklich schwer, dies zu schreiben – ein Neustart mit erfahrenen Wismutern und jungen Wilden aus dem Nachwuchs in der Kreisoberliga. Es klingt wohl wenig verlockend, ist aber mit Blick auf die Probleme die einzig realistische Chance, um den Verein vor einem langen Dahinsiechen zu bewahren. Aber lieber ein ehrlicher Wiederaufbau mit Haltung – als eine BSGemeinschaft, die mit Malle-Mentalität und ohne Respekt dem sportlichen Grab entgegenrutscht,
glaubt Euer Paparazzo.
Glück auf!