Letzter Halt: Neustart – oder Absturz?

Die BSG Wismut Gera steht am Scheideweg

Es ist fünf vor zwölf in der ehemaligen Glück-auf-Kampfbahn am Steg. Die BSG Wismut Gera steht vor ihrer größten Bewährungsprobe seit der Neugründung. Nach neun Spielen rangiert die Mannschaft auf dem 15. und damit vorletzten Platz der Verbandsliga – ein Abstiegsrang, mit nur einem einzigen Punkt Vorsprung auf das Tabellenende. So tief stand der Verein in den 16 Jahren seit dem Neustart noch nie in der Thüringenliga.

Vieles erinnert erschreckend an die Horrorsaison 1995/96 in der damaligen viertklassigen Oberliga: Nur fünf magere Punkte, der Beginn der wohl dunkelsten Phase in der Vereinsgeschichte, die 2003 ihren bitteren Höhepunkt fand.

Dieses Szenario darf sich nicht wiederholen – sonst droht der Absturz in die Bedeutungslosigkeit. Ein Neustart ist daher nicht nur nötig, sondern überlebenswichtig.

Selbst der sonst positiv gestimmte OTZ-Reporter Jens Lohse spricht inzwischen von einer „brisanten Lage“ und einem „freien Fall“. Wenn selbst langjährige Beobachter solche Worte wählen, ist klar: Der Ernst der Situation kann nicht länger ignoriert werden.

Vom Hoffnungsschimmer zur Ernüchterung

Noch im vergangenen Jahr herrschte am Steg Aufbruchsstimmung: Die Wismut lieferte sich mit Germania Halberstadt ein spannendes Kopf-an-Kopf-Duell um die Zuschauerkrone – und belegte am Ende mit 384 Zuschauern pro Heimspiel einen starken zweiten Platz. Und das trotz einer Platzierung im unteren Tabellendrittel.

Heute ist von dieser Euphorie kaum etwas geblieben. Seit mehreren Monaten bröckelt das Fundament: Schwindendes Vertrauen in die Vereinsführung, Schlagzeilen über „Eingriffe in Kassen mit Spendengeldern und Spieltag-Einnahmen„, Gerüchte um die finanzielle Situation, Ausschluss von Vorstandsmitgliedern und eine Zuschauerkulisse, die alarmiert.

Ein Blick auf den aktuellen Spieltag zeigt das Dilemma: Das Spitzenspiel des Oberligaabsteigers aus Gera gegen den Tabellenführer SCHOTT zog gerade einmal 150 Zuschauer an den Steg. Die Spiele auf dem Roten Hügel, beim 1. FC Eichsfeld, in Schleiz oder in Büßleben hatten mit rund 189 bis 200 Besuchern eine größere Resonanz. Und das Spiel des Tabellenletzten sahen 491 Zuschauerinnen und Zuschauer.

Leidenschaft für den Verein

Wie kann der Verein aus dieser Situation wieder herauskommen? Neben der Erinnerung an den Geist der Gemeinschaft während der schwärzesten Stunden in der Vereinsgeschichte zeigt ein Blick nach Zwickau, was möglich ist, wenn Fans und Verantwortliche an einem Strang ziehen. Auch dort führten interne Konflikte und negative Schlagzeilen im Jahr 2022 beinahe zum Absturz. Doch die Reaktion war beeindruckend: Unter dem Motto „Fußball gehört den Fans“ sammelten die Anhänger des FSV über 500.000 Euro – und bewiesen, dass echter Zusammenhalt Berge versetzen kann. Genau diesen Geist braucht jetzt auch die BSG Wismut Gera.

Jetzt. Nicht später.

Wenn der Verein seinen 75. Geburtstag feiern will, ist jetzt der Moment gekommen, ehrlich Bilanz zu ziehen – sportlich, finanziell und strukturell. Was es jetzt braucht: Transparenz über die tatsächliche Lage, Einbindung der Mitglieder und Fans,und Mut zu unbequemen Entscheidungen.

Nur mit offenen Karten und vereinten Kräften kann es gelingen, die Wismut wieder auf gesunde Beine zu stellen. Die Uhr tickt. Die Chance auf einen echten Neuanfang ist noch da – vielleicht zum letzten Mal.

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